Männer gingen mit weißer Fahne zu den Amis
Werner Schüller stellte dem General-Anzeiger ihre Notizen zur Verfügung.
Aus den Notizen von Franziska Schüller, die vor 60 Jahren als junge Frau das Kriegsende und den Einmarsch der Amerikaner in Ramersbach erlebt hat
Winterkrieg: deutsche Landser 1945 in einer Stellung in der Eifel.Bad Neuenahr-Ahrweiler. Vor 60 Jahren ging im Rheinland der Krieg zu Ende. Am 6. März 1945 nahmen die Amerikaner im Handstreich die Brücke von Remagen. Drei Tage später kamen sie nach Ramersbach. Was dort im März 1945 geschah, hat Franziska Schüller, geborene Mies (1922 bis 1995), hautnah erlebt.
Oberhalb des Dorfes hatte sich in den letzten Kriegstagen ein Häufchen versprengter deutscher Soldaten eingegraben. Von dort wollten sie wahrscheinlich die ankommenden Amerikaner aufhalten. Wir glaubten nicht recht daran, und die Dorfbewohner kümmerten sich wenig um die Soldaten. Einen Volkssturm gab es in Ramersbach nicht.
Dann kam der 9. März 1945 - es war mein Namenstag. Wir machten uns von unserem selbstgebauten Bunker im Ahrweiler Wald auf zum Dorf. Dort hieß es, die Amerikaner kommen. Bald hörten wir auch schon den Lärm von Panzern aus Richtung Brück. Die Männer öffneten die Panzersperren am Dorfeingang. Ein Kölner, der in Ramersbach seinen zweiten Wohnsitz hatte und englisch sprach, sowie ein paar Ramersbacher Männer gingen mit einer weißen Fahne den Amis entgegen.
Die GIs passierten die Panzersperre am Heiligenhäuschen, ohne dass ein Schuss fiel. Die versprengten deutschen Soldaten leisteten keinen Widerstand. Die Geschützstellungen an der "Lehmkaul" und auf der "Bitz" waren schon vor Tagen verlassen worden. Man hatte die 8-8-Geschütze gesprengt. Zwischenzeitlich waren die meisten Leute aus ihren Unterschlüpfen im Dorf eingetroffen und standen an der Straße.
Einer der Männer traute sich, auf eines der anrollenden Fahrzeuge zuzugehen und bat um eine Zigarette, die er auch bekam. Anzünden musste er den Glimmstengel aber selbst. Die ganze Nacht noch ratterten die Panzer und Fahrzeuge durch das Dorf in Richtung und durch das Vinxtbachtal zum Rhein.
Nach ein paar Tagen kamen alliierte Soldaten, die alle Häuser auf der linken Seite entlang der Dorfstraße in Richtung Kempenich beschlagnahmten. Die bisherigen Bewohner wurden in den Häusern auf der rechten Straßenseite einquartiert. Unser Haus lag auf der rechten Seite. Es war noch neu, denn wir waren 1941 erst eingezogen. Alle Räume waren voll belegt. Es war ein heilloses Durcheinander.
In unterschiedlichen Zeitabschnitten wechselten die Besatzungssoldaten im Dorf. Als der erste Schub abgerückt war, konnten die Familien ihre Häuser wieder beziehen. Dort fanden sie allerdings eine große Unordnung vor. Die nachrückenden Soldaten hatten es besonders auf die neueren Häuser abgesehen. So wurde unser Haus immer wieder als erstes von amerikanischen Soldaten belegt. Nur das Vieh durfte im Stall verbleiben. Zu Futter- und Melkzeiten konnten meine Eltern und ich hingehen, um die Tiere zu versorgen. Aber immer stand ein Posten mit Gewehr dabei.
Es kamen immer wieder neue Soldaten. Einmal durften wir im Haus wohnen bleiben. Wir wohnten im Obergeschoss, die Soldaten unten. Es waren meist höhere Offiziere, die auch wieder für elektrisches Licht sorgten. Aber nicht immer ging alles so glatt ab. Als wir wieder einmal bei der Oma in der damaligen Gaststätte Mies wohnten, mussten sich alle Ramersbacher auf dem Dorfplatz versammeln.
Die amerikanischen Soldaten waren sehr gereizt. Es wurde behauptet, dass Dorfbewohner an Munitionssprengungen beteiligt gewesen seien, denn unterhalb des Dorfes im Ahrweiler Wald lagen noch große Mengen Wehrmachts-Munition. Nach etwa einer Stunde Angst hielt ein Jeep mit Offizieren, die erfahren hatten, dass die Dorfbewohner doch unschuldig seien - aufatmen in der Menge.
Einmal brachten GIs ein Fass Wein in unseren Hof. Vater musste vorkosten. Es war aber Wein, der noch gärte. Weil er noch leicht schäumte und säuerlich schmeckte, wollten die Amis ihn nicht. Das Fass ließen sie im Hof auslaufen.
In einer dunklen Ecke unseres Kellers hatten Bekannte Koffer mit Wäsche untergestellt. Aber wieder mal wurden alle Häuser vom Keller bis zum Dach durchstöbert und durchwühlt. Schmuck, Uhren, Mutters Ehering und alle Krippenfiguren vom Speicher wurden mitgenommen. Meine Armbanduhr - ein Kommuniongeschenk - band ich mir um den Oberarm und behielt sie Tag und Nacht an. Sie wurde nicht gefunden.
Wieder kamen andere Soldaten. Beim erneuten Durchwühlen unseres Hauses entdeckten die GIs die Knobelbecher meines Bruders. Die Amerikaner stellten Mutter zur Rede. Sie vermuteten, im Haus wäre ein deutscher Soldat versteckt. Doch als meine Mutter sagte, die Stiefel gehörten meinem 1944 in Russland gefallenen Bruder Stefan, zog der Vorgesetzte zog augenblicklich seine Leute zurück. Es wurde nichts mehr durchsucht.
Eines Tages sahen wir in unserer Küche ein abgezogenes Reh an einem Haken hängen. Die Soldaten schnitten kleine Fleischstücke von dem Tier ab und brieten diese an ihren Kampfmessern über dem offenen Feuer des Küchenherdes. Uns boten sie auch eine Kostprobe an. Aber Mutter und ich hatten die Nase voll, als wir die Küche von innen sahen. Ich glaubte, schwärzer könnte es auch in der Hölle nicht aussehen - aber die Hölle des Krieges hatten wir überlebt.
(Bericht im General-Anzeiger, Bonn, 04.03.2005)
Dienstag, 13. November 2007
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